Blatzheimer Geschichte und Geschichten
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Bürger-Schützenbruderschaft, seit 1849


Die Geschichte der Schützenbruderschaften in Blatzheim


Die Revolution des Jahres 1848 war gescheitert. Die erste demokratische Verfassung auf deutschem Boden, die mit dem Namen der Frankfurter Paulskirche verknüpft ist, war nur Papier. Dennoch ließen sich auf Dauer die politischen Zielvorstellungen vieler Deutschen nicht mehr unterdrücken: soziale Gerechtigkeit, politische Gleichheit, nationale Einheit, liberale Freiheit und rechtsstaatliche Sicherheit. Freiheitsluft hatten die Blatzheimer schon als Folge der Französichen Revolution geschnuppert, als auch unser Dorf im Jahre 1801 in die französische Republik einverleibt wurde und die Blatzheimer Jugend um den mit der roten Jakobinermütze geschmückten Freiheitsbaum begeistert tanzte. Diese Freiheitsluft scheint sich bis 1848 erhalten zu haben. Denn viele Blatzheimer sangen: "Vivat Republik, nun sind wir die Preußen quitt." Die Quittung dafür war, daß Blatzheim ein ganzes Jahr lang eine Eskradon Ulaner als Zwangseinquartierung erhielt, wie Alfons Commer im Jahre 1925 im Fest-Buch zum 50jährigen Jubelfeste des Männergesangvereins "Eintracht" Blatzheim berichtet.

In dieser Zeit also, am 1. Juni 1849, gründen Wilhelm P. Kratz, Theo Weller, Bartel Knein, Peter Kübeler, Matthias Lützenkirchen, Jakob Ripp, Engelbert Esser und Peter Esser den "Freien Bürgerverein". Dieser Freie Bürgerverein mit dem ersten Schützenkönig Matthias Lützenkirchen ist der Vorgänger unserer jetzigen Schützenbruderschaft. Bei der Neugründung im Jahre 1947 wurde ausdrücklich mit der Jahreszahl 1849 an diesen "Freien Bürgerverein" angeknüpft.

Auch vor 1849 hat es in Blatzheim Schützenvereine oder Bruderschaften gegeben. Hans Elmar Onnau, ein Blatzheimer Heimatforscher, hat dies in unserer Festschrift, deren Lesen ich dringend empfehle, hervorragend nachgewiesen. So ist in den erzbischöflichen Visitationsprotokollen von 1649 von zwei Schützenbruderschaften in Blatzheim die Rede, nämlich von einer St. Sebastianusbruderschaft und einer Kreuzbruderschaft. Letztere ist noch im Jahre 1829, also wenige Jahre vor der Gründung des "Freien Bürgervereins" 1849 nachweiswar. Auch gab es in Blatzheim eine Christenlehr-Bruderschaft, die der Blatzheimer Pfarrer Christoph Meyer im Jahre 1717 gegründet hat. Sie war eine rein geistliche Bruderschaft mit der Aufgabe, ihre Mitglieder zu einem wahrhaft religiösen Leben anzuleiten. Diese Bruderschaft der christlichen Lehre hat es bis in den 2. Weltkrieg hinein gegeben. Als letzter Pfarrer von Blatzheim wurde am 5. April 1914 August Kugelmeier in die Bruderschaft eingeschrieben.

Doch zurück zu den Jahren 1848/1849. Als im Revolutionsjahr 1848 überall Bürgerwehren entstanden, entstand im Februar 1848 auch eine Bürgerwehr in Blatzheim. Als die Berliner Bürgerwehr am 11. 11. 1848 aufgelöst wurde, geschah dies auch mit der Blatzheimer Bürgerwehr, wie Hans Elmar Onnau berichtet. Und der Freie Bürgerverein von 1849, der Vorläufer unserer Bruderschaft, ist wohl aus der Bürgerwehr hervorgegangen.

Der Blatzheimer Professor Dr. Josef Wallraff, der 1947 auf der Gründungsversammlung zum zweiten Brudermeister der St.-Kunibert-Bürger-Schützenbruderschaft gewählt wurde und der 1949 zum hundertjährigen Jubelfest, wie es damals hieß, nach mündlicher Überlieferung die Geschichte des ehemaligen Bürgervereins aufschrieb, berichtet über die Zeit 1848/1849 u. a. wie folgt: "Eine Nachwirkung des Revolutionsjahres 1848 scheint in Blatzheim die Spaltung der Schützengesellschaft gewesen zu sein. 1849 löste sich nämlich ein Teil der Mitglieder von der Schützengesellschaft und gründete am 1. Juni dieses Jahres den Bürgerverein ...... Die Spaltung der Schützengesellschaft führte im Dorf und in Familien zu Spannungen. Die Begüterten hielten mehr zur Schützengesellschaft, die nicht so sehr Begüterten mehr zum Bürgerverein ... Beide Gesellschaften hielten an einem Tag das Schützenfest und zur gleichen Tageszeit den Festzug ab. Damit nicht genug, die beiden Festzüge marschierten im Dorf aneinander vorbei ... Die Schützengesellschaft behielt ihre alte Festwiese bei, marschierte also in Richtung Bergerhausen. Der Bürgerverein hatte seine Festwiese gegenüber dem Kreuz am Buirer Weg, marschierte also entgegengesetzte Richtung" (soweit Prof. Wallraff).

Fest steht, der Freie Bürgerverein Blatzheim 1849 setzte sich durch, auch wenn er vorübergehend immer wieder aufgehört hatte zu existieren. So nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871, als auch in Blatzheim nach dem Krieg gegen Frankreich ein Kriegerverein gegründet wurde, der den Bürgerverein für ca. 20 Jahre zum Erliegen brachte. So zur Nazi-Zeit, als sich der Blatzheimer Bürgerverein 1934 in "Schützen-Bürgerverein-Blatzheim" umbenennen mußte. Der Vorstand des Vereins wurde jetzt nicht mehr von den Mitgliedern gewählt, sondern von der NSDAP bestimmt. "Damit hatte", so Hans Elmar Onnau, "der Bürgerverein äußerlich zu bestehen aufgehört."

Die Neugründung erfolgte, wie eben schon erwähnt, am 21. September 1947. Der Einladung des Pfarrers Joseph Wolters in die Wirtschaft Meisen folgten 34 Bürger, darunter zahlreiche Mitglieder des ehemaligen Bürgervereins. 1. Brudermeister wurde der letzte Vorsitzende des Bürgervereins, Wilhelm Esser. Die neue "St.-Kunibert-Bürger-Schützenbruderschaft, Blatzheim 1849" wurde der Erzbruderschaft vom hl. Sebastian, dem späteren Zentralverband der historischen deutschen Schützenbruderschaft e. V. angeschlossen. Bruderschaftspatron war der hl. Sebastian.

Da nach 1945 die britische Besatzungsmacht nur noch katholische Schützenbruderschaften zuließ, weil diese als Körperschaften rein religiösen und geselligen Lebens aufgefaßt wurden, war auch in Blatzheim die Neugründung in eben diesem Sinne möglich, was auch der bisherigen Tradition in Blatzheim entsprach.

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