Blatzheimer Geschichte und Geschichten
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Gartenbauverein, seit 1929

von Bernhard Ripp
aus einer Rede anlässlich des 70jährigen Bestehens
des Blatzheimer Gartenbauvereins


Jeder Mensch braucht eine Oase, ein Refugium, einen Ort der Ruhe, in den man sich zurückziehen, an dem man sich freuen und erfreuen, in dem man neue Kräfte schöpfen kann. Für den Gartenfreund ist dieser Ort sein Garten, quasi sein Heiligtum. Schon bei den alten Griechen waren die Gärten oftmals heilige Orte, Haine der Götter.

Und auch wir können heute von unseren Gärten noch ähnlich schwärmen, wie dies der griechische Dichter Longos im 4. Jahr-hundert nach Christus getan hat. Er besang einen Garten als einen "herrlichen Besitz und nach der Art der königlichen Gärten angelegt. Bäume waren da von jeder Art. An einigen Stellen sah man auch die hochwachsende Rebe, die mit ihren reifenden Trauben die Äpfel- und Birnbäume umrankte, als streite sie mit ihnen um den Preis der Frucht. Das waren die edlen Gewächse. Doch gab es auch Zypressen, Lorbeer, Platanen und Pinien. Von den Blumen brachte viele die Erde allein hervor, andere hatte die Kunst des Menschen in Beeten gezogen. Rosen, Hyazinthen und Lilien waren ein Ergebnis von Fleiß; Veilchen, Narzissen und Gauchheil schenkte der Boden. Voller Schatten war der Garten im Sommer, voller Blumen- und Blütenduft im Frühling, Früchte trug er im Herbst, und in jeder Jahreszeit eine Pracht." Soweit der Dichter Longos.

Oder träumen wir weiter. Die Sehnsucht nach dem wahren Garten, dem Garten Eden, dem Paradies ist uns erhalten geblieben, die Sehnsucht nach einem Ort, wo alles leuchtend wächst, wo Lamm und Löwe friedlich nebeneinander ruhen und jedermann wunschlos glücklich leben kann.

Diese Sehnsucht ist spürbar in den Worten von Erich Kästner: "Ich möchte einen Schrebergarten haben, mit einer Laube und nicht allzu klein. Es ist so schön, Radieschen auszugraben ... Behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein."

Diese Sehnsucht ist heute spürbar, wenn die Städter auf's Land drängen.

Jeder Mensch braucht eine Oase, ein Refugium, einen Ort der Ruhe sagte ich eingangs meiner Rede. Die meisten von uns haben diesen Ort, sie haben noch ihren eigenen Garten. Und eine Vielzahl von Gärten durchzieht unseren Ort, umgibt ihn teilweise und trägt somit wesentlich zu einer schönen dörflichen Ortsstruktur bei. Und diese Art von Gestaltung und Mitgestaltung hat in Blatzheim Tradition. So berichtet der Blatzheimer Schulrat Ferdinand Münch im Jahre 1902, daß vor 70 Jahren noch, also um 1830, der Hauptteil unseres Dorfes "von einem Kranze fruchtbarer Gärten, Küchen- und Baumgärten" umgeben gewesen sei. Mit den Jahren seien die Baumgärten in Nutzgärten umgewandelt worden. Die Flur- und Straßenbezeichnung "Im Bungert" erinnert noch an diese Baumgärten. Ferdinand Münch beklagt jedoch dann, daß zu seiner Zeit, also 1902, die Nutzgärten in Blatzheim vernachlässigt waren, "sei es", so schreibt er, "daß die Bauersleute durch die Feldarbeit abgehalten wurden, sich dem Garten zu widmen, sei es, daß ihnen der Sinn für Gartenbau abging. "Es wäre eine schöne Aufgabe der Volksschule," so Münch weiter, "den Sinn für Garten- und Obstbau wieder zu wecken."

Kurze Zeit später, am 22. 12. 1929, konstituierte sich der Blatzheimer Gartenbauverein. Er weckte den Sinn für Garten- und Obstbau. Er überstand den Wandel der Zeiten und suchte immer wieder neue Formen der Beratung, der Gestaltung und des Miteinanders.

Baron Frh. Walter von Loé und die anderen Gründungsmitglieder gründeten den Gartenbauverein zu einer Zeit, als überall Vereine gegründet wurden, als das Kleingartenwesen zu großer Blüte gelangte. Auf der Tagung des Internationalen Verbandes der Kleingärtnerverbände entwickelte der Vorsitzende des Reichsverbandes am 8. Septemer 1929 die Vision eines völker- verbindenden Kleingartenwesens:

"Unsere Aufgabe ist es, jedem ein Fleckchen Erde zu verschaffen, der danach verlangt, ein Stückchen Land, auf dem er Ruhe und Frieden findet nach den Kämpfen des Alltags, ein Stückchen Heimat, ein Stückchen Vaterland, das ihm so lieb und traut wird, daß er nimmer davon lassen möchte. Und dann wollen wir zu unserem bescheidenen Teil dazu beitragen, daß die Völker in verständiger Zusammenarbeit alle die großen Aufgaben lösen, die ihnen, die der gesamten Menschheit gestellt sind."

Schon kurze Zeit später hörten sich die Worte anders an. Auch die Gartenbauvereine und das Kleingartenwesen insgesamt wurden gleichgeschaltet. Ich zitiere aus einer Schrift aus dem Jahre 1938:

"Wie der Kleingärtner stets gewillt ist, seinen Garten gegen jegliche fremde Einwirkung zu schützen und zu verteidigen, so ergibt sich für ihn auch die Erkenntnis der Notwendigkeit einer Verpflichtung gegenüber seinem Staat und seinem Vaterlande, wenn sie in Not sind. Der Kleingarten macht den Kleingärtner zum zuverlässigen und staatsbejahenden Volksgenossen. Dies verstärkt naturgemäß den Wehrwillen des Kleingärtners. Die gesündere Lebensweise und die gesündere und kräftigere Kost, die der Ertrag des Gartens ermöglicht, erhöhen außerdem die Wehrfähigkeit."

Gerne zitiere ich aus der Chronik in der Festschrift zum 60jährigen Vereinsjubiläum über diese Zeit in Blatzheim:

"Bei der Wahl am 12. Juli 1933 wurde der alte Vorstand im wesentlichen wiedergewählt und auch die neuen Mitglieder waren keine politischen Aktivisten. Das Vereinsleben spielte sich weiter so ab wie vorher."

Die große Bedeutung des Gartenbauvereins für die Blatzheimer der Nachkriegszeit ergibt sich aus der hohen Mitgliederzahl: im Oktober 1947 hatte der Gartenbauverein Blatzheim 218 Mitglieder, im Mai 1948 sogar 290. Es ging ums Überleben, der Gartenbauverein konnte günstig für seine Mitglieder einkaufen. Willi Stammel hat eben die Zahlen genannt.

Heute hat der Verein über 350 Mitglieder. Andere Motive, andere Themen standen und stehen im Vordergrund wie die Bewertung der Gärten, wie der Blumenschmuckwettbewerb, wie das Erntedankfest, wie das neue Lager im alten Spritzenhaus, wie Wetterstation und Wetterhahn, wie das gesellige Beisammensein.

Kontinuität und Wandel wird an diesen wenigen Punkten deutlich. Kontinuität und Wandel zeigt sich auch im Namen des Gartenbauvereins. Aus dem "Obst- und Gartenbauverein" wurde der "Verein der Natur- und Gartenfreunde".

Ich gratuliere dem Verein und danke den Menschen, die sich um die Belange des Vereins kümmern. Namentlich darf ich den Vorsitzenden Willi Stammel nennen.

Für die Zukunft wünsche ich dem Gartenbauverein weiterhin alles Gute und auch viel Freude an der Arbeit für unseren Ort.

Mit dem Franzosen Abbe Lemire wünsche ich: "Ein Stück Erde, um auszuruhen, ein Stück Himmel, um zu atmen ..."