Blatzheimer Geschichte und Geschichten
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Pfarrer August Kugelmeier, 1862-1951

13. Versuch einer Wertung

In der eben geschilderten allgemeinen sozialen, gesellschaftlichen, politischen Situation kam Pfarrer Kugelmeier nach Blatzheim. Äußerlich war die Situation in Blatzheim friedlich. Man hatte von alters her noch Achtung und zeigte Unterwürfigkeit gegenüber den Höhergestellten, auch wenn man nicht mehr direkt abhängig war. Der königliche Kammerherr und Abgeordnete des preußischen Landtages, der Baron von Loe, z.B. war noch wer; der Adel galt noch etwas. Man hörte auf die Obrigkeit. Letzteres galt natürlich auch für die geistliche, den Pfarrer. In diesem kleinen Ort Blatzheim mit seinen geschilderten Verhältnissen traf der welterfahrene, gern bauende Pfarrer Kugelmeier auf den Baron, der offensichtlich in den letzten Jahren weitgehend den Kirchenvorstand geführt hatte, auch auf die anderen Mächtigen des Dorfes und fand sich mit Verhältnissen konfrontiert (Friedhofsfrage, Geldfrage), die nicht sofort gelöst werden konnten. Die vorliegenden Unterlagen belegen, daß tatsächlich aufgrund mangelnder Pläne, Beschlüsse, bürokratischer Hemmnisse der Kirchenneubau innerhalb kürzester Zeit nicht möglich war. Dem Argument von Dr. Geisler in seiner WDR3-Sendung, der Anlaß sei gewesen, "daß Kugelmeier ein Darlehen der Kirchengemeinde von über 100.000 Mark, das diese dem Großgrundbesitzer Freiherr von Loe zum niedrigen Zinssatz von 2,5 Prozent zur Verfügung gestellt hatte, für den Neubau der baufälligen Kirche zurückforderte", kann deshalb nicht gefolgt werden. Geisler stützt sich offensichtlich auf Aussagen alter Blatzheimer; denn in den Akten und im Schriftwechsel ist hierzu nichts zu finden. Tatsache ist, daß es Kugelmeier einfach zu langsam weiter ging. Dies bemängelte er immer wieder im katholischen Hausfreund, was wiederum eine Reaktion der Gegner hervorrief: statt zu beschleunigen, versuchte der Gemeinderat sogar, die Angelegenheit zu verschleppen. Hierzu hatte natürlich die oftmals zynische, angreifende Wortwahl Kugelmeiers im Hausfreund und in den Predigten beigetragen.

Aus der Kirchenbaufrage war eine Machtfrage zwischen Kugelmeier und den entscheidenden Gremien bzw. Personen geworden. Die Machtfrage verlagerte sich allmählich und wurde zu einer Auseinandersetzung zwischen "Arm und Reich". Kugelmeier wird jetzt als aufrechter Demokrat sichtbar, der sich für alle im Dorfe einsetzt. Man hatte ihm sicherlich auch einige Gerüchte über den Lebenswandel einiger sog. Reicher zugetragen (Flugblätter und anonyme Schreiben belegen dies indirekt). Die Predigten gefielen natürlich dem sog. Volk. Die Menge, bisher machtlos und brav, nicht wagend, etwas zu sagen, hatte ein Sprachrohr gefunden, das bisher verborgene Wünsche freisetzte. Eine regelrechte Begeisterung für Kugelmeier setzte ein. Zur Stärkung seiner Position aber ebenfalls als Ausdruck der allgemeinen Stimmung gründete er die katholischen Vereinigungen. Kugelmeier selbst schrieb dazu später: "... Dazu gründete ich auch all die von der Zeit geforderten Kongregationen und Vereine in Blatzheim [50]."

Der Blatzheimer Kirchenstreit ließ als Ursache also bisher verdeckte gesellschaftliche Spannungen erkennen, ließ indirekt durch die Beteiligung aller Blatzheimer in den kirchlichen Vereinigungen den Wunsch nach mehr Beteiligung an der Macht sichtbar werden. Versammlungen und Petitionen sind Belege hierfür. Kugelmeier war es, der den Blatzheimern dies alles vor Augen führte und ihnen ein Gefühl von Mitbeteiligung gab - aus heutiger Sicht eine hervorragende Leistung. Nur: 1913/14 war er seiner Zeit voraus; er konnte nicht alles in Blatzheim innerhalb weniger Monate "umkrempeln". Er war ein Priester; er hätte zum Ausgleich beitragen müssen. Daß er das Gegenteil tat, bewirkte letztlich seine Versetzung [51].

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